Die Geschichte des Essigs
Bereits den alten Kulturvölkern des Altertums, den Ägyptern, Babyloniern, Indern, Griechen, Römern und Ostasiaten war die Essig-Bereitung aus alkoholischen Flüssigkeiten, beim Stehen lassen an der Luft und gleichzeitigem Vorhandensein von Wärme, bekannt. Neben der Bereitung alkoholischer Getränke, wurde auch immer Essig gewonnen.
Sowohl im Altertum, als auch im Mittelalter wurde Essig nicht nur als beliebtes Würz- und Konservierungsmittel in der Küche verwendet, sondern Essig spielte eine bedeutende Rolle, als hygienisches und billiges Erfrischungsgetränk bei Feldarbeiten, auf Feldzügen, Jagden und Schiffsreisen. Gegen alle möglichen Krankheiten, wie Ausschlag, Pest, Aussatz, Schlangenbisse, Fieber, Darmkrankheiten etc. wurde Essig angewandt. Bereits in der Bibel (4. Buch Moses, Kapitel 6) wurde das Verbot des Wein- und Essig-Genuss für die gottgeweihten Nasiräer festgehalten. Auch in der griechischen und römischen Literatur (Dioskorides und Hippokrates, Plinius, Livius), sowie in der Landgüterordnung Karls des Grossen (812) wurde Essig erwähnt.
Der aus Weintrauben, Bier und Biertreber, Datteln, etc. bereitete Essig war der tägliche Haustrunk, besonders der armen, ländlichen Bevölkerung.
Doch auch technischen Zwecken diente der Essig: Acneas empfahl in der nachalexandrinischen Zeit die Aufstellung großer, mit Essig gefüllter Behälter, als wirksamsten Schutz gegen das »griechische Feuer«, ein bis in das 13. Jahrhundert verwendetes Seekampfmittel, das auch auf dem Wasser brannte. Bei Hannibals Übergang über die Alpen diente Essig zum Sprengen von glühend heiß gemachten Felsen.
In frühester Zeit ließ man Wein in halbgefüllten Tonkrügen oder Ziegenschläuchen, im Mittelalter dann auch in Holzkufen und Fässern, bei warmer Temperatur solange stehen, bis er sauer geworden ist.
Ratschläge für die Essig-Bereitung findet man unter anderem in »Lochners kuriosem Kellermeister«und im »Hausbuch« von Magister Coler, im Ende des 16. Jahrhunderts.
Bereits im 14. Jahrhundert erreichte die Zunft der französischen Essig-Sieder ein sehr hohes Ansehen. Die im Fabrikbetrieb hergestellten Weinessige waren weltbekannt. Essig-Verkauf war zu dieser Zeit hauptsächlich ein Straßengewerbe.
Im 8. Jahrhundert befassten sich an der arabischen Hochschule zu Sevilla naturwissenschaftliche Gelehrte, wie der Alchimist Geber und Anfang des 15. Jahrhunderts Basilius Valentinus in Erfurt mit dem Phänomen der Ethanol-Oxidation (»Es kann fast in der Alchimie und Arznei nichts Fruchtbarliches bereitet werden, darzu man des Essigs Hilfe nicht begehren müsst«).
Als Erster beobachtete Joh. Becher (1635–1682), dass Luft bei der Ethanol-Oxidation mitwirken müsse (Physika subterranea, 1669). Er sah die “Essiggärung” als einen der Verbrennung ähnlichen Vorgang an, bei der eine Auflockerung und Zerteilung der Materie stattfindet.
In seiner »Zymotechnia fundamentalis« vertrat G.E. Stahl die Auffassung, dass »die innere Bewegung der in chemischer Aktion befindlichen Stoffe, vornehmlich die Luft, die Lockerung der chemischen Verbindungen veranlasse, wobei neue beständigere Produkte entstehen«.
Auch Hermann Boerhaave (1668–1738), der die Stahlsche Theorie mit vertrat, beschäftigte sich wissenschaftlich mit der Ethanol-Oxidation und entwickelte ein nach ihm benanntes Verfahren. Weiterhin beobachtete Boerhave, dass neben den notwendigen Bedingungen wie Licht, Luft und Wärme, die speziell »vegetabilische Substanz«, der sogenannte »fettige Ansatz«, die »Blume«, stets als Begleiterscheinung einer guten Ethanol-Oxidation auftrat.
Auch Chaptal beobachtete die »Blumen«, die Ethanol-Oxidation ankündigten und ihr vorausgehen, jedoch hielt er die Oxidation nicht etwa durch Kleinstlebewesen hervorgerufen, sondern »nur für eine symmetrische Lagerung der Moleküle der Materie, die eher durch die einfachen Gesetze der Affinität oder Verwandtschaft, wie durch die des Lebens geleitet werden«.
Abbé Rozier bestätigte im Jahre 1786 durch einen originellen Versuch, den Zusammenhang zwischen Ethanol-Oxidation und Luft, indem er eine mit Luft gefüllte Schweineblase an ein in »Gärung« befindliches Essig-Fass anschloss. Die Blase zog sich allmählich zusammen.
Mit der Entdeckung des Luftsauerstoffs im Jahre 1770 durch den schwedischen Apotheker und Naturforscher Scheele konnte Lavoisier neben der Klärung der Phlogistonhypothese, die Erkenntnis des Luftverbrauchs bei der Ethanol-Oxidation dort hingehend erweitern, dass er speziell den Luftsauerstoff als den »Erreger« der Ethanol-Oxidation benannte. Ebenso vertrat Staab diese Auffassung und beobachtete dazu die Abhängigkeit zwischen der Essig-Stärke und dem Alkohol-Gehalt, sowie die Beziehung zwischen Oberfläche und Oxidations-Verlauf.
Die Chemiker dieser Zeit betrachteten den Sauerstoff als den »Erreger« der Ethanol-Oxidation und verfolgten andere Wege der Essigsäure-Entstehung.
1821 machte Davy die Entdeckung, dass sich Alkohol unter einer Glasglocke bei 35° C auf fein verteiltes Platin (Platinmohr) geträufelt in Aldehyd und Essigsäure verwandeln ließ.
Selbst so bedeutende Forscher, wie der schwedische Chemiker Berzelius (1829) und auch Justus v. Liebig (1839) vertraten die Theorie, dass die Essigsäure selbst die Säuerung im Zusammenhang mit der toten, in Zerfall befindlichen organischen Masse (Eiweiß-Substanz) bewirke.
Die schleimige Haut betrachteten sie als leblose und unwesentliche Ausscheidungen. Beide Chemiker betrachteten die Ethanol-Oxidation als einen rein katalytischen Vorgang, analog nach der Art des Platinmohrs. So dienten nach ihrer Ansicht die Essig-Späne in Bildnern als reine Kontakt-Substanzen.
Im Jahre 1837 betrachtete Friedrich Traugott Kützing die Essig-Mutter unter dem Mikroskop und entdeckte kleine einzellige »Pflanzen« (Ulvina aceti), die er als die Erreger der Ethanol-Oxidation erkannte. Jedoch wurde die neue Entdeckung gerade auch von solchen Autoritäten wie v. Liebig, als ausgesprochenen Gegner der vitalistischen Gärungstheorie, wenig beachtet.
1864 war es Pasteur, der durch Versuche beweisen konnte, dass Mikroorganismen für die Säuerung der Maischen verantwortlich sind. Er tötete nämlich alle Lebewesen in Essig-Maischen durch Erhitzen ab und zeigte, dass sich auf solchen vorbehandelten Flüssigkeiten keine Essigbakterien entwickeln konnten, obwohl alle anderen Bedingungen wie Alkohol, Wärme, Nährsubstrat und Sauerstoff vorhanden waren. Mit der Beimpfung eines Hautstückchens einer Essigsäure-Schicht setzte jedoch sofort wieder die Ethanol-Oxidation ein.
Schließlich waren es v. Knieriem und Maier (1873), die die bakterielle Natur festgestellt haben. 1879 isolierte Hansen aus der »Mycoderma aceti« die ersten Essigsäurebakterien, das Bact. aceti und das Bact. pasteurianum.
Dass es sich bei der Essigsäure-Bildung auch um einen katalytischen Prozess handelt, zeigten 1903 Buchner, Gaunt und Meisenheimer. Mit einem Aceton-Dauerpräparat toter Essigsäurebakterien konnte Ethanol zu Essigsäure oxidiert werden.
Bei der Ethanol-Oxidation handelt es sich um einen endoenzymatischen Prozess, der sich im Inneren der Bakterien als Stoffwechselvorgang vollzieht.
Die Kombination beider entgegenstehender Ansichten der Chemiker, als auch der Biologen, war die Lösung für die Erklärung der Essigsäure-Entstehung aus alkoholhaltigen Maischen.
Die Essigsäure-Bildung geschieht durch einen Zell-Katalysator.
Die Essigsäure selbst ist ein in einer lebenden Bakterienzelle entstehendes biologisches Stoffwechselprodukt des Atmungsvorganges, der bei der Zwischenstufe Essigsäure stehen bleibt.